New Work an der Bar? Aber ja!

16 September 2024

DBU Roadshow #8 - NEW WORK IN DER HOSPITALITY | DRESDEN
Agil, flexibel und kreativ arbeiten, „Work“ und „Life“ wirklich in Einklang bringen, den Sinn in dem finden, was man tagtäglich tut – New Work verändert die Arbeitswelt. Und das gilt auch für die Hospitality-Branche, vom Hotel bis hin zur kleinen Cocktailbar. Wie können Bartenderinnen und Bartender von New Work profitieren? Welche Methoden und Tools stehen ihnen dafür zur Verfügung? Und was hilft, um nicht wieder in den alten Trott zu verfallen? 


Darum ging es im Workshop „New Work in der Hospitality“ der Deutschen Barkeeper-Union e.V. (DBU), geleitet von Dominique Maria Krauss und präsentiert von SIP. Als Roadshow fand er in fünf Städten statt – Hamburg, Köln, München, Stuttgart und Dresden. Beim Termin in der Dresdener „Pinta Cocktailbar“ war unser Editorial Head Jan-Peter Wulf dabei und hat seine 7 „key learnings“ mitgebracht. Hier sind sie.

 

1. New Work ist Freiheit, Selbstverwirklichung, sinnvolle Arbeit, Entwicklung und soziale Verantwortung

 

New Work ist ein schillernder Begriff. Doch was bedeutet er überhaupt? Eine spontane Umfrage unter den Workshop-Teilnehmenden ergibt: Ihnen fallen „Arbeitsklima“, „Motivation“, „Zukunft“, „Sinn“ oder „Entwicklung“ ein, wenn sie an New Work denken. Aber auch „Digitalisierung“, „Branding“ (als Arbeitgebermarke) oder „neue Strukturen“.

Der Begründer der New-Work-Bewegung ist der Austro-Amerikaner Frithjof Bergmann (1930-2021, übrigens in Sachsen geboren). Er erforschte, was Berufstätige, unter anderem Arbeitende in den US-Autofabriken, „wirklich wirklich wollen“. Daraus leiten sich fünf Grundbedürfnisse im Sinne des „New Work“ ab:

 

  • Freiheit
  • Selbstverwirklichung
  • sinnvolle Arbeit

  • Entwicklung

  • soziale Verantwortung

 

Bezieht man diese fünf Punkte nun auf das Arbeiten in der Hospitality, wird schnell klar: Viele Beschäftigte wären wohl schon froh, wenn sie an zwei oder drei der Punkte einen Haken setzen könnten. Ein Workshop-Teilnehmer erklärte, in seiner Ausbildung noch die berüchtigten Teller erlebt zu haben, die bei dicker Luft, Stress und Ärger durch die Küche flogen. Ein anderer Workshop-Teilnehmer berichtete, das Restaurant, in dem er nebenberuflich jobbt, bestelle noch per Fax … also: Wie kommen Unternehmen und Teams nun zu mehr New Work?

 

Das Thema New Work triggert, weil es disruptiv ist. Es bricht in bestehende Wertvorstellungen ein und zeigt dir ganz andere Perspektiven auf.

Dominique Maria Krauss 

 

2. New Work kann nicht per Schablone, sondern nur individuell gezeichnet werden

 

Wie soll das neue Arbeiten im Betrieb nun konkret aussehen? Eine Daumenregel oder einen Masterplan dafür gibt es nicht. So individuell die Hospitality, so individuell das jeweilige Konzept! Zur Lösung komme man über Fragen, die man sich im Rahmen der Kulturentwicklung stellt, so Krauss. Sie hatte einige mitgebracht:

 

  • Was wollen wir beibehalten?
  • Was gibt uns Sicherheit?
  • Was definiert uns im Kern?
  • Wohin möchten wir uns entwickeln?
  • Welche Aspekte von New Work wollen wir bei uns integrieren? 
  • Welche Veränderungen und Neuerungen streben wir an?
  • Was vom Bestehenden wollen wir loslassen?
  • Wie verbinden wir alte und neue Kulturelemente?
  • Wie gestalten wir konkret den Prozess der Kulturentwicklung? 

 

Fragen über Fragen. Und die Antworten darauf? Können zum Beispiel in einem „Guide of Conduct“ festgehalten werden.

3. Ein betrieblicher „Guide of Conduct“ sorgt für Klarheit und Sicherheit

 

Das Eisbergmodell, das Dominique Maria Krauss Weg zeigt, macht es sehr plastisch: Unternehmen brauchen klare Regeln, sowohl für den sichtbaren Bereich, in der Hospitality das „frontend“, als auch für das „backoffice“. „Über Wasser“ brauchen Unternehmen eine Vision, ein Leitbild, eine Strategie und ein Konzept für Außendarstellung. „Unter Wasser“ geht es um Dinge wie die Grundbedürfnisse der Mitarbeitenden, Einstellungen und Gefühle, Beziehungen und Normen.

 

Konkret macht es das Berliner Restaurant „Nobelhart & Schmutzig“, das einen „Guide of Conduct“ entwickelt und veröffentlicht hat. Er legt detailliert und in der Tiefe erklärend dar, welche Werte und Regeln im Restaurant in der Friedrichstraße gelten. Zum Beispiel steht dort:

 


„Es (ist) respektlos, deine Kolleg*innen vor Gästen oder externen Personen zu kritisieren. Wenn du Kritik äußern möchtest, dann tu’ dies bitte in einem sowohl für dich als auch für die betreffende Person sicheren Rahmen auf eine angemessene und respektvolle Art.“

 

Und auch:

 

„Wir finden, dass du ein sicheres und wertschätzendes Arbeitsumfeld verdienst – egal, in welchem Unternehmenszweig du arbeitest. Deswegen gilt für uns ein ganz wichtiger Grundsatz: Wenn du dich bedrängt, nicht sicher oder unwohl im Austausch mit einer unternehmensexternen Person fühlst, dann musst du das nicht einfach still aushalten.“

 


Was im Falle einer solchen Unsicherheit passiert, ist im „Guide of Conduct“ des Speiselokals klar geregelt.  Für Bewerbende, aber gerade auch für Mitarbeitende, so Krauss, ist dies sehr hilfreich. Denn ist von Anfang an klar, was der Betrieb erwartet und worauf Angestellte sich (etwa bei Belästigung oder Diskriminierung) verlassen können. Und Bewerbende können sich zudem für sich abgleichen: Passen die Werte auch zu mir?

 

Einen solchen „Guide of Conduct“ entwickelt das Team der gastgebenden Pinta Bar übrigens gerade auch. Team ist dabei das entscheidende Wort, denn es ist keine alleinige Chefsache. „Kulturentwicklung ist Teamarbeit”, so Dominique Maria Krauss. 

 

4. Achtung, Anglizismen: New Work bringt neue Arbeitsformen mit sich

 

Wer sich mit New Work beschäftigt, kommt um Anglizismen und Neologismen kaum herum. Besonders dann, wenn es um die Benennung neuer Modelle des Arbeitens geht. Die vielzitierte „Work-Life-Balance“ ist dagegen fast ein alter Hut! Krauss klärt auf:

 

Remote Work: von einem anderen Ort aus arbeiten

Workation: die Arbeit mit auf Reisen bzw. in den Urlaub nehmen und neben der Arbeit andere Länder/Kulturen entdecken 

Flexicurity: sowohl angestellt als auch selbstständig arbeiten, die Kombination aus Sicherheit und Flexibilität nutzen

Reskilling: einen anderen Job im Unternehmen vergeben, der besser zur betroffenen Person passt, um sie im Unternehmen zu halten

Job bzw. Leadership Sharing: z.B. zwei Personen teilen sich eine (leitende) Stelle

Jobcrafting: eine Stelle bzw. Rolle maßgeschneidert auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten eines Menschen hin erschaffen.


 

„Die Hospitality ist eine sehr flexible Branche. In welchem Bürojob gibt es schon die Möglichkeit zu sagen: Ich möchte am Montag frei haben und arbeite dafür am Sonntag?“


Dominique Maria Krauss


 

Auch hier wieder der Abgleich mit der Hospitality: Mise en Place und Remote Work lassen sich wohl kaum verbinden (oder vielleicht doch?). Doch reisen und in verschiedenen Bars oder Küchen zu arbeiten, angestellt und freiberuflich zu sein oder sich Stellen zu teilen – das ist schon heute Realität, gehört ja fast zum guten Ton. Warum nicht jemanden, der nicht mehr so viel in der Nacht arbeiten will, mit tagsüber realisierbaren Aufgaben (Kommunikation, Social Media, Kooperationen, Eventverkauf …) „reskillen“? Und Stichwort „Jobcrafting“: eine Stelle auf den jeweiligen Typen, seine Talente und Skills hin auszurichten – das passt ja fast wie A**** auf Eimer zu dieser bunten Branche! 

 

5. Wissen will geteilt werden

 

Stichwort Eimer: Dem britischen Jungunternehmer Steven Bartlett zufolge gibt es fünf „buckets“, also Eimer, die unsere Entwicklung prägen: Wissen, Skills, Netzwerk, Ressourcen und Reputationen. Die Eimer drei bis fünf können kaputt gehen, nicht aber eins (Wissen) und zwei (Skills). Bartletts Credo: Wer in sein Wissen und seine Fähigkeiten investiert, bringt diese Eimer zum Überlaufen und füllt damit automatisch drei bis fünf wieder neu auf. (Liebe Gastros, wenn ihr Eimer nicht mögt, denkt an eine Schampuspyramide).

 

Dabei, so Dominique Maria Krauss, ist es wichtig, Wissen zu teilen und im Austausch mit anderen zu wachsen. Für ihre Workshop-Roadshow hat sie vorab verschiedene Akteure der Hospitality interviewt, unter anderem Anne Linden, langjährige Bartenderin und heute freiberuflich als Creative Director u.a. für die Gastro- und Getränkebranche tätig, zwischen Deutschland und Bali pendelnd (really really New Work). Linden sagt:

 

„Die Veränderungen durch Corona haben zu einer neuen Offenheit gegenüber verschiedenen Arbeitsmodellen und Rollen in Bars geführt, ebenso wie zu einer verstärkten Bereitschaft für den Wissensaustausch. Es zeigt sich, wie bereichernd und erfolgsversprechend das Teilen von Wissen sein kann. Hierbei gilt: Wissen teilen schafft Austausch, Bereicherung und Möglichkeiten - für einen selber und die Community um einen herum. Man muss sich von dem Gedanken lösen, dass man etwas verliert oder aufgibt, wenn man Wissen preisgibt."

 

Als Hospitality-Community von Pernod Ricard, genannt SIP, bei dem das „S“ für „share“steht, stimmen wir dem uneingeschränkt zu.

 

6. New Work lebt von Intrapreneur*innen  

 

Schon mal vom Begriff „Intrapreneur“ gehört? Das ist jemand, erklärte die Workshopleiterin, der/die sich als mitarbeitende Person so verhält, als sei er/sie selbst Unternehmer. Sprich jemand, der/die eigene Ideen entwickelt, vorstellt und sie im Idealfall so einbringt, dass das Business davon profitiert. Was natürlich seitens der Geschäftsführung die Bereitschaft bedingt, dies nicht nur zu erlauben, sondern bestenfalls zu fördern. Damit alle davon profitieren und es mehr ist als nur, sich austoben zu dürfen, sollte man sich als „Intrapreneur“ dazu diese Fragen stellen, so Krauss:

 

  • Was ist das Warum hinter der Idee?

  • Welchen praktischen Nutzen hat es für das Unternehmen und die Zielgruppe?
  • Was benötige ich vom Unternehmen und was werde ich liefern?
  • Habe ich alles, um meine Idee umzusetzen?  alles habt, um eure Idee umzusetzen.
  • Wie präsentiere ich mein Reporting nach der Aktion?

 

Denken wir wieder an die Bar: ein neuer Drink, eine Extrakarte? Ein neues Arrangement, ein Zusatzgeschäft, ein Cocktailbuch? Hier ist vieles denkbar und möglich.

 


„Agiler als in einer kleinen Bar kann das Arbeiten kaum sein. Wohingegen es in großen Konzernen ewig dauert, bis Entscheidungen getroffen und Prozesse verändert werden.“

Dominique Maria Krauss

 

7. Arbeit ist (und bleibt) Arbeit 

 

Zum Schluss machte Krauss eines klar: Wenn jemandem der Job partout nicht gefällt, hilft weder das noch so smarte New-Work-Tool noch die Vier-Tage-Woche. Dann sei es wichtig, sich rechtzeitig zu trennen – vom Unternehmen und umgekehrt vom Mitarbeitenden, nicht zuletzt, um das Team nicht zu beschädigen. New Work ist kein Pflaster gegen ein Aua. „Es geht bei New Work nicht darum, Leute in Watte zu packen. Sondern darum, Sicherheit und Flexibilität zu bieten, den Bedürfnissen der Personen Raum zu geben und offen zu kommunizieren“, so Krauss. Am Ende gelte auch für New Work: „Arbeit ist Arbeit. Die kann auch mal hart sein, gerade in der Gastronomie.“


 

Was Süßes zum Schluss: Es steht viel New Work in Toffifee!

 

Wer hätte das gedacht: Anhand des Aufbaus des klebrigen Kult-Karamells kann man, so Krauss’ Abschlusstipp, umgesetzte New-Work-Maßnahmen gut analysieren:

 

  1. Was war süß → was lief super?

  2. Welche Nuss war zu knacken → welche Herausforderung war zu meistern?

  3. Was ist kleben geblieben → haben wir daraus gelernt?  
Na dann, fröhliches Naschen und New-Worken!

 


 

Tipp: Wer sich noch mehr mit dem Thema beschäftigen möchte: Im SIP-Podcast sprechen wir mit Gastronomie-Coach Andrea Grudda unter dem Titel „Einmal New Work, bitte!“ darüber, welche Charaktereigenschaften Führungskräfte benötigen, um nicht Boss, sondern Leader zu sein.

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