1. Awareness für die Herkunft der Zutaten
Woher kommen die besonderen Zutaten im Gin X oder dem Likör Y? Welche Menschen und ethnischen Gruppen haben diese Pflanzen traditionelle kultiviert, wer baut die Pflanzen an, die den wertvollen Rohstoff für die Spirituose liefern? Oft ist den Menschen hinter wie vor dem Tresen nicht bewusst, welches kulturelle Erbe und welche enorme handwerkliche Arbeit hinter so manchem Produkt stehen. Dies wurde zum Beispiel im „Agave Camp By Club Cantina & Barro Negro Athens“ diskutiert. Mezcal wird immer beliebter, aber ihn herzustellen, ist sehr aufwändig und hat Wertschätzung verdient. „Craft-Mezcal“ biete Familien in Mexiko die Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, verdeutlichte der Experte Esteban Morales Garibi in seinem Vortrag. Chockie Tom, eine der wenigen US-Bartenderinnen mit indigenen Wurzeln, ermunterte in ihrem Talk „Crafting Sustainable Culture“ die Kolleg*innen dazu, mehr Zeit in Nachforschungen zu investieren. Woher stammt das besondere Botanical? Hat es vielleicht eine besondere Bedeutung für die ethnische Gruppe, in deren Gebiet es wächst? Wissen und eine Verbindung aufbauen, bei jeder Zutat hinterfragen, ob sie ökologisch und ethisch bewusst hergestellt wird oder nicht – das bringt mehr Awareness hervor.
2. Nachhaltigkeit ist Teambuilding
Wiederverwendbare Halme einsetzen, Zutaten ganzheitlich verwenden, Energie und Wasser sparen – viele kleine Dinge tragen zu einer nachhaltigeren Barbranche bei. Doch Nachhaltigkeit sollte viel größer gedacht werden und die Menschen einbeziehen, auch außerhalb der Bar. Wie das geht? Die Pariser Kneipenbar „Cambridge Public House“ hat nicht nur ihre CO2-Bilanz messen lassen und daraufhin Anpassungen vorgenommen (z.B. weniger Flüge, Bier aus Frankreich statt aus England usw.), sondern hat sogar einen „Community Plan“ aufgesetzt. Dieser bricht die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN in konkrete Aufgaben herunter. Beispiel: Für das Nachhaltigkeitsziel „Quality Education“ hat man einen Laufclub gegründet. Pariser Bartender*innen machen sich damit nicht nur sportlicher, sondern sammeln vor allem Geld, mit dem in Oaxaca/Mexico Internet in Dörfer gebracht und Lehrpersonal bezahlt wird. In Frankreich will man mit den gesammelten Geldern Geflüchteten Zugang zu Aus- und Weiterbildung verschaffen. Der „Bar Rats Running Club“ wird dabei von Pernod Ricard unterstützt. Und weil das Team gemeinsam an diesen Zielen arbeitet, ist es umso fester und eingeschworener, berichteten die Betreiber Hyacinthe Lescoët und Hugo Gallou. Mehr Nachhaltigkeit, weniger Fluktuation.
3. Weiter auf dem Vormarsch: Aperitif-Drinks
Ob aus Italien und Frankreich, aus Deutschland oder von ganz weit weg: Immer mehr Aperitifprodukte drängen auf den Markt. Klar, es hat sie schon immer gegeben und kaum eine Bar, ja kaum ein Restaurant hat heute keinen Aperitif mehr auf der Karte. Doch die Beliebtheit wächst und wächst, auch bei uns nördlich der Alpen. Der Erfolg eines „Wildberry Lillet“ (inklusive Charthit!) ist nur ein Beispiel dafür, dass ein neuer Drink es bis weit in den gastronomischen Mainstream schaffen kann. Was ist das Erfolgsgeheimnis des Aperitifs? Vieles! Als leichter Drink ab dem späten Nachmittag läutet er den Feierabend ein – fast ein Ritual. Und immer häufiger, Stichwort Mediterranisierung, wird draußen gegessen und getrunken – da passt der Aperitif perfekt, als erfrischender, mit karbonisierten Fillern oder Schaumweinen gemixter, prickelnder Drink. Auch der moderate Alkoholgehalt (wenn man nicht gerade zum Negroni als Aperitif greift) ist en vogue. Aus diesem Grund werden Aperitifs auch im Cocktail-Catering für Unternehmen immer relevanter: leicht und bewusst passt in die Zeit. Und weil die Vielfalt der Produkte stetig zunimmt, steigt auch die Vielfalt der Drinks, die Bartender*innen rund um diese Aperitifs entwickeln.
4. Die Barszene braucht mehr Aufmerksamkeit für mentale Gesundheit
Die Pflege der physischen Gesundheit wurde im – jedes Jahr aufs Neue spannenden – Vortragsprogramm des BCB schon häufiger thematisiert, unter anderem von „Healthy Hospo“. Mit dessen Botschafter Jason-Candid Knüsel sprachen wir dazu auch im SIP Podcast, in welchem er auch auf die Relevanz mentaler Gesundheit hinwies. Wie wichtig sie in einem stressigen, oft lauten und in der Nacht stattfindenden Beruf wie dem Bartending ist, unterstrich beim diesjährigen BCB der Brite Kris Hall. Er nahm ein persönliches mentales wie körperliches Tief zum Anlass, nicht nur eine Therapie zu beginnen. Sondern auch die Initiative „Burnt Chef Project“ zu gründen, die sechs Jahre später in fast 80 Ländern aktiv ist. Seine Formel für mentale Gesundheit lautet „CAN DO“: Connect (Freundschaften, Partnerschaften, Familie), Active (Sport und Bewegung), Notice (Achtsamkeit für sich & seine Umgebung), Discover (Offen für Neues sein), Offer (Zeit für Mitmenschen, Gesellschaft und Ehrenämter). Sein Talk lässt es ebenso wie der von Chockie Tom und dem „Cambridge Public House“ auf der Webseite des BCB anschauen.
Mehr unter www.theburntchef.com
5. Let’s talk (more)!
Die Inspiration und das Voneinander-Lernen ist der Barszene ganz offensichtlich wichtiger denn je. Das ist der Haupteindruck, den wir vom BCB 2023 mitnehmen: Talks und Panels, Workshops und Masterclasses oder die Sessions der „Deutschen Barkeeper Union e.V.“, alles war sehr gut besucht. Der Wissensdurst und das Bedürfnis nach Dialog scheint groß zu sein. Und dass der Austausch in einem Format auf Augenhöhe besonders gut funktioniert, zeigte der Zuspruch, den die Roundtable-Gespräche im „BCB x SIP Studio“ erhielten: Welche Ziele und Werte haben Bartender der Generation Z? Wie erreicht man Innovation durch Kollaboration? Wodurch entstehen nachhaltige Erlebnisse für den Gast? Welche positive Rolle kann die Bar in ihrem Stadtteil und ihrer Stadt spielen? Die Tischgespräche die wir zu diesen und weiteren Themen mit SIP im Obergeschoss des Palais der Messe Berlin anboten, waren rege und produktiv. Heißt: Wir sollten noch mehr reden, inspirieren, austauschen – und die Barwelt immer besser machen.